Samstag, 6. Juli um 8:45 Uhr auf dem Highway No. 1 vor Proserpine
Zuckerrohrfelder, überall sieht man hier Zuckerrohr. Momentan ist Erntezeit und man bekommt beim Fahren einen kleinen Einblick in den Ablauf der Ernte.
Nachdem die 2 – 3 Meter hohen Halme maschinell geschnitten worden sind, werden sie in Waggons auf von den Feldern zur Zuckerfabrik führenden Gleisen abtransportiert. Die Überreste auf den Feldern werden – meist nachts –
abgefackelt, so dass man in der Dunkelheit neben der Straße kleine Feuer ausmachen kann, die wir fälschlicherweise für Buschfeuer hielten. Neben dem beißenden Rauchgestank nachts ist die Luft tagsüber mit modrig-süßem Duft
erfüllt.
16 Uhr an der Lagune von Airlie Beach Wir befinden uns im tropischen Urlauberparadies, das normalerweise von Touristen überlaufen ist. Im Moment
jedoch ist Eva die Einzige, die ihre Schwimmrunden in der Lagune dreht. Diese Lagune ist ein künstliches mit sauberem Meerwasser gefülltes Becken, sehr harmonisch in die Gegend am Strand zwischen Palmen und Rasenhügeln
eingebettet. Eva lächelt mich gerade vom sanft geschwungenen Beckenrand an. Es scheint ihr hervorragend zu gefallen in dem für Aussies zu kaltem Wasser. Der Grund weshalb wir hier an der Oase rasten liegt darin, dass wir
morgen ab 7:15 Uhr zu einer Schiffrundfahrt vom Airlie Beach aus starten, die durch die Inselgruppe der tropischen Whitsunday Islands führt, Lunch, Schnorcheln und Traumstrände inklusive. Das Besondere an diesem Trip ist das
Schiff: Es verfügt über gläserne Schiffwände und gibt somit einen Blick auf das Unterwasserleben frei. Außer der Lagune, den Beobachtungen der Zuckerrohrernte am Vormittag und einem kurzen Spaziergang zu einem Wasserfall
unweit von Airlie Beach am Mittag fiel nichts Besonderes an diesem Faulenztag vor, so dass ich mich nun endlich dem gestrigen Tag in Rockhampton widmen kann. Rockhampton, die Beef-Hauptstadt Australiens, so kündet ein
Riesenplakat bereits am Stadtrand. Die Stadt ist von Bullenfarmen umgeben und auch in der Stadt sind die Tiere in Form von zahlreichen Statuen vertreten. Wie schon berichtet liegt die Stadt am Wendekreis des Steinbocks, auf dem
die Sonne um den 22. Dezember herum senkrecht steht. Damit befindet sich die Stadt auf einer Linie mit Rio de Janeiro und Johannisburg. Ein silberner Turm markiert am südlichen Stadtrand die Stelle, ab der die Tropen beginnen.
Nachdem wir diesen Punkt aufgesucht hatten, starteten wir dem Dreamtime Cultural Centre einen Besuch ab, in dem die Lebensweise der Aboriginies dokumentiert wird, das größte seiner Art in Australien. Die künstliche auf Natur
getrimmte steinerne Eintrittshalle und der stolze Eintrittspreis, pro Person 7 Euro, machten uns zunächst skeptisch. Der einführende Vortrag von einem Aboriginiemädchen war auch nicht umwerfend, jedoch erfuhren wir dabei, dass
in diesem Zentrum nur das Leben der im westlich von Rockhampton angesiedelten Ureinwohner dargestellt wird, und dass sich eine Abteilung den Bewohnern der Torres Strait Inseln widmet, eine Inselgruppe, die zwischen der
nördlichsten Spitze Australiens, der York Penisula und Papua Neu Guinea liegt. Kurz merkten wir auf, als von der einzigartigen Maltechnik die Rede war, welche die im Zentrum Queenslands beheimateten Aboriginie-Künstler noch
heute benutzen. Sie mischen das Erdreich, das für die Gewinnung des gewünschten Farbtons notwendig ist, im Mund mit Speichel zusammen und spucken dann das Gemisch über verschiedene Gegenstände bzw. ihre Hände, die sie an die
Felswände halten, so dass auf diesen die Umrisse der Gegenstände / Hände erscheinen. Wir wurden weiter geführt in eine aus Bambus und Palmenblättern gebaute Hütte. Und dann traf sie auf “la Mamma grande”, wie ich sie nennen
möchte, die das Eintrittsgeld alleine schon wert ist: Eine wohlbeleibte, große, schwarzweißhaarige Aborigniedame von einer der Torres Strait Inseln, in deren vorderen Schneidezähnen oben wie unten beträchtliche Lücken klafften.
Ihre Erzählungen über das Inselleben waren von eine anziehenden Einfachheit. Sie kicherte über die englischen Namen, die Cook vor 230 Jahren ihren Heimatinseln neu gegeben hatte und die heute noch in Gebrauch sind. Sie
schwärmte mit leuchtenden Augen von den Gärten, die sie bis zu ihrem 17. Lebensjahr, in dem sie mit ihrem Vater aufs Festland auswandern musste, zusammen mit anderen Frauen bewirtschaftetete und die die Selbstversorgung
garantierten. Stolz berichtete sie über die Männer, die das Lebensnotwendige aus dem Meer holten, Taucher, die keine Angst vor den Tiefen des Ozeans hatten. Sie schilderte auf spannende Weise die Kämpfe zwischen den Stämmen der
Inselgruppen und den Papua Neu Guineas, deren Hauptziel es war, die Schädel der Feinde, abgetrennt von den Körpern, als Trophäe mit nach Hause zu bringen, denn nur dann wurde ein Junge als Mann anerkannt. Sie ahmte den Klang
nach, der als Warnung vor Kriegerhorden auf einem riesigen Meeresschneckenhaus fabriziert wurde. Sie erzählte von den Veränderungen durch die weiße Kolonialisierung von dem Aufblühen der Perlentaucherei auf der Insel, den
Perlmuttknopffabriken, die den Frauen Arbeit gaben – die Männer waren als erfahrene Taucher sehr gefragt -, sie fuhr fort vom Niedergang dieser Fabriken zu berichten nach der Erfindung von Plastik, wobei sie uns stolz ihre
handgefertigten Palmenblätterkörbe präsentierte. Gebannt lauschten wir, als sie uns in ihrem gebrochenen Englisch – bis sie 17 Jahre alt war, sprach sie keinen Brocken Englisch! – vom Fortzug der meisten jungen Männer erzählte,
die auf dem Festland als Zuckerrohrschneider oder Eisenbahnarbeiter Lohn und Arbeit fanden. Und während all ihrer Geschichte bestätigte sie mehrmals mit feuchten Augen, dass sie wieder zurückkehren will und wird. Ja, das war
ein Erlebnis, aber der nächste Höhepunkt sollte gleich folgen: Ein Mann demonstrierte das Bumerangwerfen, welche Technik man anwenden muss, damit dieser zurückkehrt und dann duften wir ran! Mein Versuch war gar nicht so
schlecht und der geschleuderte Bumerang kam bis auf wenige Meter zurück. Nach mir trat Eva in den Ring. Mächtig holte sie aus und schleuderte den Bumerang mit solcher Wucht, dass er sich in den Wipfeln der nahen Eukalyptusbäume
verlor, dort aber sich durch das Laub zurückmähte! Kommentar unseres Aboriginie-Trainers: “Sieht so aus, als ob du auf Koalajagd aus wärst!” In jedem Fall macht es riesig Spaß und die Technik haben wir raus. Wir müssen nur noch
üben. Der gleiche Aboriginie demonstrierte noch die Kunst des Didgeridoo-Blasens und wie im Flug waren zwei Stunden spannender Einführung in die Kultur der Ureinwohner Australiens nach Anlaufschwierigkeiten vergangen. Den
Nachmittag schlenderten wir noch durch das historische Rockhampton und gut gelaunt fuhren wir weiter, nach Norden, immer mehr der Sonne entgegen!
Gefahrene Kilometer: 242
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