Hallo Europa! (Melbourne, 4. Juni 2002) Die letzten Reiseberichte aus Melbourne nahen, wenn dies nicht sogar der letzte schon ist, denn mit dem Beginn des Monats Juni endet der 1. Teil unseres Abenteuers in Australien. Waehrend wir uns dann ab 12. Juni auf der Rundreise befinden, werde ich persoenlich die Reiseberichte nicht mehr in den Computer eintippen koennen, denn das wuerde zuviel Zeit und Geld in Anspruch nehmen, und ich moechte meine Zeit am Computer v. a. mit privaten E-Mails nutzen. Aber ich habe schon eine Loesung parat, denn keiner muss dank meiner brillianten Schwester Birgit auf unsere Erlebnisse verzichten, denn ich habe mit ihr folgenden Deal ausgehandelt: Ich schreibe mein Tagebuch auf der Reise auf Papier, schicke es zu ihr und sie tippt alles dann auf die Nimm-Drei Homepage. Es koennen also kleine Zeitverzoegerungen eintreten, aber ihr bekommt alles wie immer mit! Ja, ihr muesst euch persoenlich bei ihr bedanken, denn es waere wirklich jammerschade gewesen, wenn der - wie ich vermute - spannendere Teil nicht mehr der Oeffentlichkeit zugaenglich gewesen waere. Danke Birgit!! Ja, wir muessen Melbourne bald verlassen, alles aufgeben, was wir uns hier erarbeitet und ersucht haben und wir sind ganz schoen traurig, denn die Stadt ist zu Recht vor ein paar Jahren zur lebenswertesten Stadt des Globus gewaehlt worden, noch vor Paris, London, New York, Ingolstadt und Susice (beiden letzteren meine persoenlichen Favouriten). Wir haben uns schon stark an das Melbourner Lebensgefuehl gewoehnt: Gelassen, freundlich, etwas ungenau (auch schmuddelig), am besten umschrieben mit dem Satz "No worries". Keine Sorgen. Hast du wenig Geld und reist somit im Low-Budget-Bereich, "No worries", kannst du etwas sofort nicht finden (auf dem Stadtplan, beim Einkaufen), "No worries". Jeder bleibt freundlich, entspannt und hilfreich. Warum auch sich das Leben und das der anderen schwer machen? Warum es uns aber wirklich schwerfaellt, Melbourne zu verlassen, wird vielleicht aus den Erlebnissen der letzten 5 Tagen ersichtlich, die ich, waehrend ich sie einzeln beschreibe, mit Ueberschriften versehen will, die gleichzeitig als erste Rueckschau auf den 1. Teil der Reise gelten. 1. MELBOURNE HAT KULTUR UND TRADITION! Das erste, was mir hier am meisten in den ersten Wochen gefehlt hatte, war die europaeische Kultur und Tradition. Aber je intensiver wir die Stadt eroberten, desto mehr entdeckten wir deren reiche Geschichte. Ueberwaeltigt davon wurden wir am letzten Freitag (31. Mai), an dessen Nachmittag wir an einer Fuehrung durch das Parlament des Staates Victoria teilnahmen (wir waren nur drei Interessenten und somit konnte sich unser Fuehrer ganz uns und unserern Verstaendnisproblemen, sprachlicher- wie historischerseits widmen). Was gabs zu entdecken? Reiches Interieur (klasse als Rondell gebaute Abgeordnetenbilbiothek! Really British mit Teppich, schmiedeeisernen Wendeltreppen in die Galerien, Moebel und Wandvertaefelungen aus dunklem alten Holz! Leider nicht fuer die Oeffentlichkeit); spannende Schilderungen der Geschichte der Gruendung des Staates Victorias sowie der Foederation von Australien; die enge Beziehung zum Mutterland England, dass sich schon an der Raumaufteilung der beiden Parlamentssaele zeigt - wie in England sitzten sich Opposition und Regierung in einer Art Kirchenbaenke von angesicht zu Angesicht gegenueber, was auf die ersten Parlamentssitzungen in England in einer Kirche zurueckzufuehren ist. Der Parliamentsvorsitzende, der Speaker, sitzt dort, wo sich damals der Altar befand, und aus diesem Grunde verbeugen sich alle Abgeordenten noch heute vor Beginn der Sitzung in Richtung des Speakers und sprechen das Vater Unser. Really British! - all das zog unsere Aufmerksamkeit voll in den Bann. Ja, wenn man nur tiefer eindringen kann in die Kultur des Landes, dann entdeckt man eine spannende und studierenswerte Geschichte! Und auf dem Rueckweg zu unserer Wohnung stolperten wir noch ueber die Gallerie of Aboriginal Art, in der man sich auch abseits von den typischen Aboriginiezentren im Norden und im Outback ueber derne Kultur informieren kann. Ach ja, und ein alternatives Kino haben wir auch entdeckt, in dem wir nach dem Besuch der Gallerie den Independent-Film "Business of Strangers" anschauten. Auf Kultur muss man hier auf keinen Fall verzichten! 2. MELBOURNE IST KULINARISCHER HOCHGENUSS! Nicht nur die unzaehligen asiatischen Lokale und Buden machen die Stadt zu einer Essenshochburg, nein, an jeder Ecke findet man darueberhinaus ein kleines Kaffee, eine gemuetliche Baeckerei, die Riesenmuffins anbieten, oder andere suesse Leckereien, die auszuwaehlen eine wirkliche Qual darstellen. Und dann waere da noch der Queen Victoria Market mit seinem unglaublich billigem und frischem Obst und Gemuese und dem Fischmarkt, auf dem wir am Freitagabend an die 12 Sardinen fuer 2.50 Euro erstanden haben. Wiederum beste Ware (einige Freitage zuvor hatten wir einen Tintenfisch - mit Tentakeln und Augen! - erstanden und lecker zubereitet!) die uns ein feines Abendessen bereitete, waehrend wir zur besten Sendezeit das Eroeffnungsspiel der WM, Frankreich - Senegal - anguckten. Und - unglaublich aber wahr - sogar auf boehmische Toertchen muss man hier nicht verzichten, denn in einer der bezaubernden Subburbs von Melbourne (wirklich: jeder Stadtteil ist eine eigene Reise wert: alte, sehehnswerte Bausubstanz und reizende Kaffees, Lokale und Geschaefte) mit Namen "Canterbury" kann man in einem boehmischen Kaffee Spezialitaeten aus Tschechien - natuerlich nicht so zahlreich und gut wie bei Dedek in Susice! - erstehen, die darueberhinaus auch noch von einer Studentin aus Prag mit Namen Eva angeboten werden! (Witzig, oder? Die beiden Evas haben gleich gewaltig auf Tschechisch losgelegt und auch ich konnte mit meinen paar Brocken Eindruck schinden! Sie studiert hier Medienwissenschaften, nachdem sie von der Brisbaner und Sydnier Uni wegging, da die Staedte im Vergleich zu Melbourne nicht so lebenswert seien! Aber sie bleibt nicht hier in Australien nach dem Studium, denn was sie am meisten neben ihren Freunden vermisst, ist Heavy Metal!) 3. DIE UMGEBUNG VON MELBOURNE IST REICH AN AN NATUR UND SEHENSWUERDIGKEITEN Eine Grossstadt ist erst lebenswert, wenn sie ueber genuegend Erholungsraum und Natur in den den Aussenbezirken verfuegt, und das hat Melbourne ohne Zweifel, wie wir auf unserer Samstagfahrt mit Rod, die in Canterbury am Samstagmorgen begann, feststellen konnten. Wer ist Rod? Ich habe ihn, als ich noch auf der Strasse spielte kennengelernt. Er ist beim Department of Justice als Auditor angestellt und sein Hobby ist Folkmusik. Er war es auch, der uns zu dem Folkmusiktreffen mitnahm, von dem ich in einem der ersten Reisekapiteln berichtete. Nun, klingelts bei euch? Ja genau: Der Tinwhistle spielende Tom Hanks! Ein paar mal habe ich mich mit ihm in seiner Lunchpause zum Kaffee oder Essen getroffen und er bot sich an, uns mit seinem Auto durch die sehenswerte nordoestlich von Melbourne sich befindende Landschaft zu fahren, um uns ein paar versteckte und fuer mit oeffentlichen Verkehrsmitteln Reisenden schwer zu ereichenden Sehenswuerdigkeiten zu zeigen. Los gings in Canterbury. Dann fuhren wir durch das Valley of the Arts, eine fuer an zeitgenoessische Kunst Interessierte angelegte Route, auf deren Strecke sich eingige Gallerien und Kuenstlersiedlungen befinden. Wir warfen einen kurzen Blick (Rod ist glaube ich nicht sehr an moderner Kunst interessiert!) in die Heide-Gallerie, die eine hervorragende Gemaelde-Ausstellung (Stripperama, z.T Pornographisch! Aber nicht nur deshalb sehehnswert!) befindet. Dann spazierten wir durch den dazugehoerigen Skulpturenpark. Naechste Station: Motnsalvat, und diese Station ist wirklich ein Highlight von Melbournes Umgebung: Eine Kuenstlerkolonie, im Jahre 1938 von einem Kuensteler im Stil eines englischen Landschlosses mit dazugehoeriger Farm erbaut, in der auch heute noch 3 Kuenstler wohnen und arbeiten; so z.B. Simon Icarus, ein Goldschmiedekuenstler, den wir naeher kennenlernten und der uns nach ausgiebigem Ratschen zu einer Tasse Tee einlud. Diese Farm ist ein Traum, altes Gemaeuer, Swimmingpool aus Stein, Pfaue stolzieren durch den Rasen, in der Ferne glaenzt die Skyline Melbournes, die von der Erhebung, auf der sich die Gebaeude befinden, zu sichten ist; man verliert sich foermlich in dem Gewirr von Gaengen, Treppen und Saelen, die frei zugaenglich einen halbstuendigen Spaziergang anbieten. Teilweise werden hier Kurse, Seminare und Konzerte abgehalten und die Atmosphaere dazu ist gigantisch! Ein Jazzimprovisationsworkshop hier fuer eine Woche.....hm!.......... Das waers!!!!!!!!! Nachdem wir uns dort laenger als geplant aufhielten, war fuer den Rest des Programms nicht mehr viel Zeit und so huschten wir nur noch kurz nach Warrandyte, ein Dorf am Ufer des Yarrarivers, an dem sich schoene Spazierwege entlang des Flusse befinden, versuchten in der einbrechenden Dunkelheit die alten Jagduette zu erkennen, die einen Einblick in die ersten Bauten in Melbournes Wildnis gab, und stolperten durch die Finsternis auf dem Gelaende der Farm aus dem 19. Jahrhundert, die ebenfalls ein Relikt aus der Anfangszeit Victorias darstellte. 4. DIE MELBOURNER (AUSTRALIER, DENKE ICH, ALLGEMEIN) SIND UNGLAUBLICH FREUNDLICH UND HILFSBEREIT! Das war wirklich nett von Rod! Ein toller Tag, der noch nicht zu Ende war, denn er lud uns noch zu sich nach Hause ein. Zuvor jedoch zeigte er uns noch seine Lieblingsgaertnerei, eine die sich auf australische Pflanzen spezialisiert hat, denn er ist ein Hobbygaertner, was man an seinem mit heimischen Pflanzen uebrwucherten Vorgarten leicht bemerken kann. Bei sich zu hause bereiten wir zusammen ein Abendessen vor: Barbeque natuerlich, auch im Winter, er zeigte uns seine Photos von seiner 6-monatigen Weltreise (Afrika-Europa-Amerika), er beriet uns fachmaennisch fuer unsere Rundreise durch Australien - jetzt wissen wir den schoensten Weg von Melbourne nach Canberra! - und am Ende des langen Tages fuhr er uns sogar noch mit seinem Auto um 22.30 Uhr die 25 km nach hause! Unglaublich nett! Aber das ist hier so in Melbourne: Ich habe selten schlecht gelaunte Menschen erlebt. Keine Miesepeter, keine noergelnden und desinteressierten Verkaeuferinnen, keine gestressten Autofahrer, keine hysterischen Gebaeudeaufseher! Beispiele?? Kann ich genug aufzaehlen: Eva hat sich Wanderschuhe gekauft. In den Geschaeften wurde sie nicht nur von stets freundlichen und hilfsbereiten Verkaeufern bedient, nein, die Verkaeufer rieten ihr sogar, noch in anderen Geschaeften nachzuschauen, vielleicht kriegt sie was besseres und billigeres. Auch bleiben sie unglaublich nett, wenn du nichts kaufst, oder nur eine Beratung ohne Geschaeft willst. "No worries and enjoy your day!" Die meisten hier geniessen das Leben und arbeiten anscheinend gerne! Und sie wollen dir helfen, bieten dir ihren Service an, fragen dich woher du kommst, was du machst, bieten dir ihre Hilfe fuer die Reisevorbereitung an! Keiner ist beleidigt, wenn du das machst, was du wirklich willst! Warum auch? Endlich kann man wieder so sein, wie man als Mensch ist. Ich werde hier z.B. mit meinem freundlichen Wesen bestens akzeptiert. Du musst keine Angst haben, uebers Ohr gehauen zu werden. Laesst du was liegen, kommen dir sofort Leute hinterher gerannt und bringen dir dein Eigentum. Strassenbahnen, die eigentlich schon abgefahren sind, halten fuer Fahrgaeste an, die etwas zu spaet gerannt kommen. Security Leute, die z. B. das Justizgebaeude bewachen, das wir an diesem Montag besichtigt haben, freuen sich unglaublich, dass du Interesse an dem Gebaeude hast, kommen auf dich zu und fragen dich, ob du nicht einen Blick - natuerlich erst nach dem Sicherheits-Check - hineinwerfen magst. Jeder laechelt dich hier an, gibt dir freiwillig Weg, entschuldigt sich hier hoeflich nach einem Rempler. Ist das die Gesellschaft der Zukunft? Oder ist das noch ein Relikt aus alter Zeit? Warum ist as so nicht in Deutschland? Muss denn Ellenbogengesellschaft unbedingt sein? Es geht doch auch anders. Und die Wirtschaft funktioniert hier ebenso!! So, jetzt hoere ich aber auf, sonst schreibe ich hier noch 3 Stunden weiter und alle wollen hier nach Down Under! Aber die Lebensart hier ist wirklich schon eine Reise wert!! Ja, es heisst fuer uns jetzt "Good By Melbourne", aber gleichzeitig damit oeffnet sich auch das Tor in die Weiten des australuichen Kontinents! Bleibt in Kontakt! Das Abenteuer beginnt!! See you und Gruesse an alle, die mich noch kennen!!!! Robert