Freitag, 28. Juni, 8:00 Uhr, irgendwo abseits der Straße vor dem Ort Murwillumbah

Wie kann man nur so lange schlafen! Gestern sind wir extra um 20 Uhr ins Bett gegangen, um heute in aller Herrgottsfrühe den Mount Warning zu erklimmen, an dessen Fuße wir uns befinden. Die ersten Sonnenstrahlen, die den australischen Kontinent erreichen, kann man von dort sichten. Nun haben wir aber wieder einmal bis zum Schluss ausgeschlafen, fast 12 Stunden. Dafür hat uns heute morgen ein stolzer und besonders hübscher Hahn direkt vor der Schiebetür des Campervans begrüßt, als wir diese zurückzogen. Er vertilgt gerade genussvoll unser altes Brot.
Gestern haben wir zum ersten Mal unsere Emails abgerufen. Für mich war eines vom Kultusministerium dabei. Ich soll meine Euphorie wegen der Anstellung am Reuchlingymnasium bremsen, denn die Teilzeitstelle wird womöglich einem Referendar zugedacht. Ich frage mich natürlich, was das nun wieder soll! Da ist das Reuchlingymnasium, das mich unbedingt fest angestellt will. Dann ist dies meine Wunschstelle und auch habe ich mich um eine Teilzeitstelle beworben, und das Kultusministerium entscheidet wieder zu aller Unzufriedenheit. Na ja, noch ist nichts definitiv entschieden, aber der Ärger verfolgt mich bis ans andere Ende der Welt.

Um 19 Uhr im McDonalds in Coolangatta
Zur Abwechslung mal ein McFlurry-Eis. Ist auch angebracht bei den sommerlichen Temperaturen (24° C). Es ist sowieso ein Wunder, dass sich die McDonalds Restaurants hier in Australien noch nicht untereinander verständigt und uns für jeden McDonalds Hausverbot erteilt haben. Wieso? Irgendwie missverstehen wir die Philosophie dieser Schnellimbisskette – schnell essen, schnell weiter – und halten uns hier immer für 2 – 3 Stunden am Abend auf, nicht um uns den Wanst voll zu schlagen. Nein, in diesem anonymen Ort können wir lange bleiben, ohne gestört oder rausgeschmissen zu werden und so bequem den neuen Verlauf der Reiseroute festlegen, den wir aus den Bergen von kostenlosen und sehr informativen Reiseprospekten und Straßenkarten aus den Touristeninformationen herauslesen; und ich kann entspannt – bei Eis oder heißer Apfeltasche, was quasi unsere “Eintrittskarte” ist – den Reisebericht weiterschreiben.
Zum zweiten Mal fasse ich zwei Tage zusammen, nicht weil ich im sonnigen Queensland, wo wir heute angekommen sind, zu faul geworden bin. Gestern Abend nur war mein Kopf zu voll von bestem Rotwein, den den wir im Hunter Valley zuvor gekauft haben. Nun also zum gestrigen Tag (Donnerstag, 27. Juni)
Ihr könnt euch gar nicht denken, wie herrlich das Aufwachen an diesem Morgen war: Mitten am Strand umgeben von subtropischem Regenwald, am Rand des Bundjalung NP. Die Nacht zuvor waren wir noch bis 0:30 Uhr dorthin gefahren, und die Fahrstrapazen – wegen des regen Wildlife-Verkehrs auf australischen Straßen (am Straßenrand hockenden Kängurus und über die Straße trottenden Wombats) kann man nur 60 – 80 km /h fahren – haben sich für diesen Morgen gelohnt. Nachts rauschte sanft das Meer, die Sterne funkelten am nachtblauen Himmel und die Vögel sangen im Busch. In den NP selbst konnten wir wegen der nicht geteerten Straßen nicht fahren, aber dafür unternahmen wir einen Spaziergang durch das Iluka Nature Reserve. Für alle, die sich dafür interessieren, wo diese Naturjuwel liegt: Zwischen den am Highway Nr. 1 angesiedelten Städten Grafton und Lismore, direkt am Meer. Dieses Naturreservat beherbergt den größten subtropischen Regenwald von New South Wales und ist wegen seiner Einzigartigkeit zum Weltkulturerbe erhoben worden. Zunächst wandert man durch dichten mit Lianen zugewachsenen Regenwald, um dann über Sanddünen zu steigen, die diesen vom Meeresstrand trennen. Dieser wiederum wird unterbrochen von Felsenklippen, die, nach steilem Abfall, eben ins Meer verlaufen. Auf diesen Felsplateaus kann man auf der Meeresseite bei Ebbe die Klippen umlaufen und nicht nur das am Rande dieses Plateaus tobende Meer, dessen Wellen daran sich meterhoch brechen und dadurch einiges Wasser über die Felsen und um unsere Füße schwappt – da heißt es schnell die höchste Erhebung auf dem Plateau aufsuchen -, auch die sich im Felsen durch jahrtausendelange Erosion ausgespülten Rockpools, mit klarem Meereswasser gefüllte Felsbecken, machen diesen Spaziergang zum Erlebnis.
Zurück zum Parkplatz gelangten wir entlang eines kilometerlangen Sandstrandes, an dem sich außer uns nur ein paar Fischer befanden, an dessen Ende wir uns frisches frittiertes Seafood zum Mittagessen gönnten, bei strahlendem Sonnenschein! Wir fuhren weiter landeinwärts über Lismore die Kleinstadt Nimbim ansteuernd. Auf dem Weg stießen wir auf das zauberhafte Wäldchen des Tucki Tucki Naturreservats, in dem Koalabären hausen sollten. Und tatsächlich, nicht 3 Meter von uns entfernt in einer Astgabel dösend grinste uns ein süßer Koala entgegen. Gleich um die Ecke befindet sich ein weiterer interessanter Ort, ein Friedhof, auf dessen Areal sich ein sog. “Bora Ring” befindet. Es handelt sich dabei um eine besondere Stätte der Aboriginies, ein kreisrundes leicht trichterförmig gestaltetes Areal, umgeben von Bäumen, auf dem die jungen Aboriginiemänner initiiert, d.h. in den Kreis der Männer aufgenommen werden. Dabei wird ihnen das uralte Wissen des Stammes mitgeteilt, für dessen Überlieferung sie die Verantwortung aufgetragen bekommen. Ein stark energetischer Ort!
Als wir in Nimbim ankamen, bestätigte sich all das über den Ort im Reiseführer Geschriebene. In Nimbim wurde 1973 ein dem Woodstock-Festival ähnelndes alternatives Rockfest abgehalten mit Namen Aquarius. Die zauberhafte Umgebung ließ einige der jugendlichen Konzertbesucher sich hier ansiedeln. Zuzüge alternativer und esoterischer Gruppen ließen nicht lange auf sich warten und Nimbim entwickelte sich zum Aussteigerzentrum an der Ostküste mit einigen Wohnkommunen und v.a. einer florierenden Haschszene. Überall in der Stadt hängt der Duft der Droge stechend in der Luft und als wir durch das total abgefahrene Museum streunten, das als “Gesamtkunstwerk” mit altem Sperrmüll vollgestopft gestaltet ist, sprachen mich doch tatsächlich zwei Dealer an, ob ich nicht was zum Rauchen möchte. Schnellsten verließen wir den suspekten Ort und steuerten den verlassenen Platz an, auf dem uns heute der Hahn in der Früh begrüßte!
Und heute? Heute haben wir die Grenze zu Queensland überschritten und befinden uns somit im Sunshine State, so steht es auf dem Nummernschild unsere Campervans (EIS-640, ist doch toll!). Doch zuvor untersuchten wir eine der interessantesten Gegenden New South Wales, denn wir bestiegen den 1130m hohen Mount Warning, der im Herzen des angeblich größten Kraters der Welt liegt. Ich persönlich glaube aber, dass der Krater im Schwäbischen Ries größere Ausmaße hat!). Vor 23 Millionen Jahren war einer der mächtigsten Vulkane in dieser Gegend aktiv, der ein Ausmaß von 4000 km2 hatte. Die Höhe betrug 2000m und das Herz diesen Ungetüms lag dort, wo sich heute der Mount Warning befindet.
Stopp: Gerade lese ich in einem Kopieauszug aus einem Nationalparkbuch, dass es sich hier um den größten Vulkankrater handelt, der auf der Erde existiert. Das ist glaubhaft, denn die Ausmaße sind vom Gipfel des Mount Warning bestens festzustellen: Im gleichen Abstand ist er von einer prächtigen Bergkette umgeben, die die äußeren Wände diese Riesenkraters bilden. Unglaublicher Anblick! Nur auf der Seite zum Ozean hin (man kann auch vom Gipfel den Pazifik ausmachen!) klafft eine Lücke im Gebirgsring, verursacht durch den Tweedriver, der sich mit anderen Flüssen für die Erosion des Kratertals verantwortlich zeichnet. Man kann sich gut vorstellen, wir fruchtbar die Erde dieses Riesentales ist, in dem vor der weißen Besiedelung dichter Regenwald wuchs. Die damals ansässigen Aborignies nannten den Felsengipfel des Mount Warning “Wollumbin”, was soviel heißt wie “Kämpfender Häuptling der Berg”. Sie glaubten nämlich, dass die Blitzeinschläge auf der Felsenspitze – auch heute ist es äußerst gefährlich wegen der fast 100%igen Blitzeinschläge auf dem Gipfel diesen bei nahendem Gewitter zu besteigen – und die von den kraterwunden widerhallenden Donnerklänge von kämpfenden Geisterkriegern stammten und ”Erosionswunden” im Kratertal von den Kämpfen stammten. Die Eingeborenen wurden wie vielerorts in Australien ihrer Jagdgründe und Lebensgrundlage durch die weißen Siedler beraubt, die den Regenwald im Krater wegen der dort reichlich vorkommenden Zedernbäumen gnadenlos abholzten. Heute findet man dort neben Viehweiden Zuckerrohrplantagen. Kurioserweise geboten die 1973 in der nicht weit vom Krater entfernt liegenden Stadt Nimbim angesiedelten Hippies und Alternativos der drohenden Gesamtabholzung des Gebiets durch massive Proteste Einhalt. Somit hat auch diese Stadt ihr Gutes!
Und woher hat der Mount Warning seinen Namen? Wie so viele Namen an der Ostküste stammt auch dieser von Captain Cook. 1770 bei seiner Erforschung dieser Küste wäre er fast auf ein Riff aufgelaufen, das sich direkt vor der Küste befindet, an der der Berg liegt. Um nachfolgenden Seefahrern einen Anhaltspunkt für die Gefahr am Seeboden zu geben, nannte er den weithin sichtbaren und markanten Felsengipfel Mount Warning. Er konnte damals nicht wissen, dass das Riff, das sein Schiff bedrohte, genau von diesem Berg stammte: Vor Millionen vor Jahren nämlich erkaltete an dieser Stelle der vom Vulkan stammende Lavastrom im kühlen Ozean.
Ja, diese Gegend erzählt viele Geschichten und es ist schon atemberaubend nach 2 ½ Stunden Aufstieg durch Palmenwald und über Lavagestein vom Gipfel des Mount Warning das Naturwunder zu bestaunen. Die Informationen zur Gegend kann man sich sehr anschaulich aufbereitet im “World Heritage Rainforest Centre” in dem Ort Murwillubah besorgen, der an der Grenze zu Queensland liegt. Übrigens, auch der Mount Warning plus Umgebung ist von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen worden. Und wie verlief der Rest des Tages? Sehr entspannend:

    1. Baden in Coolangatta, dem südlichsten Ort der Gold Coast, einer sich bis nach Brisbane über 40 km hinziehenden Touristenhochburg.

    2. Barbecue am Strand, kostenloses Grillen + heißes Wasser zum Abspülen. In der Ferne die Skyline von Surfers Paradise im Abendrot glänzend.

    3. Besichtigung des Captain Cook Memorials, das sich direkt auf der Grenze der beiden Staaten New South Wales und Queensland befindet. Es ist als Leuchtturm gestaltet, um auch bei Nacht eine Warnung den vorüberziehenden Schiffen zu bieten. Sehr passend!

In den letzten beiden Tagen gefahrene Kilometer: 367

PS: Für alle, die noch nicht genug Infos bekommen haben: Lufttemperatur an der Gold Coast 24° C, Wassertemperatur 19° C, Wasserqualität superb klar, Gefahrenlevel beim Schwimmen gleich null, da super seicht, nur schulterhohe Wellen und der Strand von Lifeguards bewacht, die ihr Areal sichtbar mit rot-gelben Fahnen abstecken.