Samstag, den 27. Juli um 15.30 Uhr im Litchfield Nationalpark
Welch grosse Versprechen hatte wir vor unserer Abreise nach Australien abgegeben: Wir werden nie im Meer schwimmen – haben wir doch, trotz
der Heerscharen von weissen Haien, die die Gewaesser Australiens bevoelkern.Wir werden nie in Fluessen oder Seen schwimmen, die noerdlich der Grenze liegen, ab der es die gefaehrlichen Salzwasserkrokodile gibt – haben wir erst
vor kurzem wieder im Katherine River am letzten Tag unserer Busreise von Cairns nach Darwin, trotzdem wir die staehlernen Krokodilfallen am Ufer gesehen und erst ein paar Stunden zuvor beim vorausgegangenen Spaziergang an einem
Zuflussbach ein Freshwater Krokodil gesichtet hatten, welches aber fuer Menschen ungefaehrlich sein soll – angeblich. Drittes Versprechen: Ich werde nie Barfusslaufen wegen der Spinnen- und Schlangengefahr – mittlerweile laufe
ich sogar im roten Outbacksand ohne Schuhe rum. Wir werden nie in der freien Natur campen, sondern immer brav sichere Campingsplaetze aufsuchen – machen wir in den naechsten Tagen, also das wilde Zelten. Alle, deren
Herzschlag sich gerade wegen unserer Nachlaessigkeit verdoppelt hat, seien beruhigt, denn voellig unbegruendet ist die hysterische Angst – v.a. meine – vor den toedlichen Gefahren des giftigsten Kontinents der Welt. Natuerlich
muss man eine gewisse Vorsicht walten lassen, aber mit dieser ueberlebt man wie all die anderen 16 Millionen Australier draussen im Outback oder Busch. Also, keine Angst. Die Wachsamkeit ist unser steter Wegbegleiter. Trotz
dieser geniessen wir gerade die Wasserfaelle und Felsenpools im Litchfield Nationalpark, der 100 km suedlich der Stadt Darwin liegt. Diese Abkuehlung war dringend notwendig, denn in der noerdlichsten Stadt Australiens und
seiner Umgebung herrschen hochsommerliche Verhaeltnisse mit Temperaturen ueber 30 Grad C und einer Luftfeuchtigkeit von nahezu 90%. Das ist unnormal fuer die Trockenzeit, die hier im Norden im australischen Winter herrscht.
Wahrscheinlich machen sich auch hier schon die Klimaveraenderungen bemerkbar. Wie auch immer. Wir stoehnen ganz schoen in der Pruegelhitze und fluechten uns wo immer es geht in klimatisierte Raeume, bzw. ab heute in das mit
Aircondition ausgestattete Mietauto, das wir fuer 10 Tage fuer die Reise von Darwin ins rote Zentrum nach Alice Springs gemietet haben. Dieses anstrengende Wetter konnte uns aber gestern wie heute vormittag nicht davon
abhalten, Darwin mit schweissnassen T-Shirts zu erkunden. Die Stadt selbst hat nur noch wenig historische Bausubstanz vorzuweisen, was neben den Zerstoerungen im 2. Weltkireig an einer der groessten Naturkatastrophen liegt, die
Australien je heimgesucht hat. Sie begann am Heiligabend des Jahres 1974. In den Monaten um Weihnachten herrscht hier im Sommer die Regenzeit und Darwin ist beruechtigt dafuer, dass sich in den Wochen vor Weihnachten draussen
auf dem Ozean schwere Unwetter aufbauen, die dann in heftigen Gewitterstuermen und Regenguessen ueber der Stadt niedergehen. Im Jahr 1974 dauerte diese sogennante “Built-Up-Periode” besonders lange und die Menschen ahnten
schon, dass sich drauusen ueber dem Meer etwas Unheilvolles zusammenbraute. In der Nacht vom Heiligabend auf den Weihnachtstag ereigente sich dann die Tragoedie: Ein Zyklon von zuvor nie gesehenem Ausmass fegte ueber Darwin
hinweg, vebog mit seiner ungeheurlichen Kraft von 350 km/h Windgeschwindigkeit Stahlmasten, liess die gesamte Bevoelkerung landeinwaerts fliehen, zerstoerte 90 % der Stadt und hinterliess hunderte von Toten. Das ganze Ausmass
der Katastrophe wurde uns im Museum von Darwin vor Augen gefuehrt, das wir heute vormittag vor der Abfahrt aus der Stadt aufsuchten. Das furchterregende Toben des Zyklons, aufgenommen auf einer Kassette von einem Augenzeugen,
der in seinem Haus ausharrte, wird einem dort in einem abgedunkeltem Raum um die Ohren geschlagen. Es muss fuerchterlich gewesen sein! Nicht nur dieser Raum und die fesselnde Dokumentation des Fiaskos lohnen einen Besuch.
Neben Aboriginiekunst und einer sehenswerten Ausstellung ueber die australische Tierwelt bietet das Museum (freier Eintritt!) eine reichhaltige Sammlung von Schiffen und Booten aus den Gewaessern noerdlich von Darwin. Beim
Studieren der Infotafeln zu den einzelnen Schiffen wurde uns so richtig bewusst, dass sich die indonesischen Inseln mit all ihrer Suedseeromantik nur ein paar hundert Kilometer noerdlich von uns befinden. Ja, kurz hinter Darwin
beginnt schon das exotische Suedostasien, das sich in den Schiffsbemalungen und –konstruktionen widerspiegeln. Und natuerlich die Hitze! Die Schwuele! Nur abends laesst es sich im Freien ohne Schweissperlen aushalten, und so
verbrachten wir gestern den Anbruch der Nacht in einem Freiluftkino nahe der Hafenanlagen mit Vollmond ueber dem Meer mit dem Film “Beneath Clouds”, einem der Gewinner der diesjaehrigen Berliner Filmfestspiele, der uebrigens in
Australien gedreht wurde.
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