Dienstag, 25. Juni, 19:30 Uhr in Forster im Campervan

Der gestrige Tag nach dem Wollemi NP brachte so ein Durcheinender, dass ich die Erlebnisse des Nachmittags und Abends gestern gar nicht mehr zu Papier brachte. Es ging schon mal damit los, dass wir, als wir den endlosen Wald des Wollemi NP endlich verlassen hatten, uns plötzlich in einer der berühmtesten Weingegenden der Welt wiederfanden, dem Hunter Valley. Weinexperten müsste jetzt eigentlich ein andächtiges und wertschätzendes “Ah” über die Lippen kommen, vergleichbar mit meinen bewundernden Ausrufen, die ich anerkennend  unserem Schankkellner bei unsere Weinprobe nach jedem Wein zuwarf. Oh ja, wir – bzw. ich, denn Eva erklärte sich barmherzigerweise bereit, (mich) weiter zu fahren, - machten eine Weinprobe, und was für eine! Sie fand im Ort Cessnock, dem Herzen dieser Weingegend bei keinem geringeren Weingut als auf dem weltberühmten Rothbury Estate statt (ehrlich: kannte ich vorher auch nicht)! An die acht verschiedene Weine kostete ich, rote wie weiße Sorten wie Semillon, Shiraz oder Chardonnay, welche mit fruchtigem Ananasgeschmack, Pflaumenbouquet, rauchigem Duft oder mit der Note eines alten Schuhs, der laut unserem Weinfachmann und Zeremonienmeister, einem typisch europäischem Wein sehr nahe kommt. Auch wenn ich unsere Heimatweine nicht auf so drastische Weise deklassieren würde: Diese australischen Tropfen sind wirklich im Geschmack unübertroffen, da ihnen die stets scheinende Sonne deutlich anzumerken ist. Süße wäre das falsche Wort für eine Umschreibung; besser vielleicht: edle Reife. In jedem Fall haben wir dann für 8 Euro (fast die Hälfte des Preises ist hier für die Steuer!) einen edlen roten Mudgee Shiraz 2000 erstanden, den wir vielleicht heute Abend beim Fußballgucken (D gegen Korea) im Fernsehraum des Campingplatzes leeren werden. Eva Favorit: der weiße Chardonnay mit Butterscotch-Bouquet. Aber leider zu teuer!

Eva fuhr mich dann leicht angeheitert zur nahe liegenden Käserei, in der wir neben dem kostenlosen Abendessen (wir probierten natürlich alle zur Verfügung stehenden Käsesorten und sonstigen Aufstriche und Chutneys) einen zum Rotwein passenden Käse aus der Gegend kauften.

Nach diesem Gourmeterlebnis begann das Malheur des Abends, denn zuerst verirrten wir uns auf der Fahrt nach Newcastle, der zweitgrößten Stadt des Staates New South Wales mit einem bedeutenden Überseehafen, ein paar Mal, dann stellte sich die Stadt als eher belanglose Sehenswürdigkeit heraus, die bis auf zwei sehr interessante Swimming Pools nicht viel – vielleicht ein paar alte Bauten – zu bieten hat. An diesen beiden Pool passierte dann ein weiteres Missgeschick, das noch schlimmer hätte ausgehen können und mit der Bauweise der beiden Pools zu tun hat. Beide sind in übergroßem Ausmaß in den Felsen gehauen, der am Strand von Newcastle ins Meer hinausragt, der eine im viereckigen, der andere im runden Format. Beide waren in den 1930er Jahre die ersten Ozean-Swimming-Pools in Australien. Als wir auf den Betonplatten des Areals am viereckigen Pool in der Dunkelheit spazieren gingen, bestaunten wir die Ausmaße wie die sehr saubere Ausführung der Arbeit am Pool. Er erinnerte fast an Naziarchitektur. Am Ende des Bauwerks, auf der Seeseite, tobte die Brandung und ab und zu spritzte ein wenig Gischt über die Steinkante auf den Gehweg, der den Pool umrundete. Wie kommt bloß das Meerwasser in den Pool? fragten wir uns und machten uns auf zum Rand des Gehwegs, denn vielleicht befindet sich ja dort ein Tunnel, durch den das Wasser des Pazifiks in den Pool gedrückt wird. Nichts deutet darauf hin. Wir wenden uns ab von der Seeseite und gehen zum Poolrand. Da, plötzlich, ein brausendes Geräusch; ich drehe mich um, sehe die im Vergleich zu den anderen Wellen doppelt so große Welle und schreie zu Eva: “Halt dich fest!”, klammere mich selbst wie sie am Geländer, das in den Pool führt und schon schwappt die Welle über den Gehwegrand und wir stehen bis zu den Oberschenkeln im kalten Meerwasser, das sich auf breiter Front in den Pool ergießt! Vielen Dank! Jetzt wissen wir, wie das Wasser im Pool stets frisch gehalten wird. Mit wackeligen Knien – die Strömung war ganz schön stark – und pitschnassen Füßen platschen wir durch die Stadt zurück zum Campervan.

Als wir losfuhren, bemerkten wir, dass wir bald kein Benzin mehr haben. Die Tankstelle lies bis zuletzt auf sich warten. Erleichtert ging es weiter, durch den riesengroßen Industriehafen Newcastels in Richtung Nelson Bay. Wir wollen vor diesem Ort nach Lemon Tree abbiegen, ein Dorf, in dem sich eine Koalakolonie aufhalten soll. Der Campingplatz, den wir ansteuerten und auf dem die nachtaktiven Bären besonders ihr Unwesen treiben sollen, war geschlossen. Wir fuhren wieder runter von der Halbinsel mit dem Plan, auf der nächsten Rest Area zu übernachten. Es kam keine. Übermüdet fuhren wir zum Parkplatz eines Parks in einer Kleinstadt, deren Namen ich vergessen habe. Mitten in der Stadt schliefen wir erschöpft ein. Was für ein Tag!

Und was für ein wundervoller Tag war heute! Nachdem wir in aller Frühe um 6:30 Uhr hastig von unserem Schlafplatz aufgebrochen und nach kurzer Fahrt auf dem Highway Nr. 1 nach rechts zu den Orten Tea Gardens und Hawks Nest abgebogen waren, wurden wir für den gestrigen Tag mehr als entschädigt, denn wir fuhren mitten in den Myall Lakes NP, wiederum ein Wunder der Natur! Dieser NP liegt am Ozean und verfügt über kilometerlange, zauberhafte Sandstrände. Aber das ist nicht genug, denn nur durch hohe Sanddünen vom Meer getrennt findet man einen märchenhaften Regenwald mit Palmen, Lianen und Eukalyptusbäumen, in dem sich ein Geflecht von Salzwasserseen befindet, ein Paradies für alle Arten von Wasservögeln. Als wir in den NP fuhren, wurden wir auch schon von riesenhaften Pelikanen begrüßt, die sich auf Pfosten sitzend sonnten. Wir unternahmen einen kurzen Spaziergang durch den dichten Regenwald, der uns auf den großdimensionierten Campingplatz führte, dessen Größe die Geschäftigkeit des Ortes im Sommer erahnen lässt; im Winter nur von einer Handvoll Campern besiedelt. Wir führten unsere Wanderung am Strand fort, in heißem Sonnenschein, nur mit T-Shirt bekleidet, wobei wir auch nackt hätten gehen können, so menschenleer fanden wir den wunderbaren endlosen Strand vor. Große Wellen rollen auf den Strand zu. Wir platschen mit den Füßen im Wasser und stellen fest, dass kurz vor dem Moment, in dem die Wellenwand in sich zusammen fällt, die Spannung des Wassers an der gekrümmten Seite der Welleninnenseite so stark ist, dass sie wie eine Aquariumsglaswand den Blick in die Tiefen des Ozeans preisgibt. Ja, man sieht auf ein paar Metern, was sich im Innern des Meeres abspielt und wir können, kaum zu glauben, Fischschwärme ausmachen! Und dann geschieht das Unerwartete, das Bezaubernde. Als wir angespannt auf die Wasserwände starren, in der Hoffnung noch mehr zu erblicken, tauchen plötzlich Rückenflossen auf der Meeresoberfläche auf, die sanft ein- und wieder auftauchen; vier, fünf, sechs. Es sind Delphine, die keine 10 Meter von uns ruhig ihre Bahnen durch die Fluten ziehen. Tief beeindruckt spazieren wir weiter. Gelöst steigen wir in den Campervan und fahren glücklich weiter bis nach Forster. Dort am Nachmittag angekommen genehmigen wir uns in einem Fish-and-Chips-Lokals preisgünstige Pommes mit frittiertem Fisch (2 Portionen für den Preis von einer wegen einem Special!) und duschen uns mal wieder ausgiebig! Was für ein Tag!

Heute gefahrene Kilometer: 172

PS: In Hawksbury versuchten wir in einem ebenfalls von Koalas angeblich übervölkerten Waldstück einen Blick auf diese zu erhaschen! Vergeblich!