Melbourne, Sonntag der 21. April Good Day! Ein Nachtrag zum letzten Bericht bezueglich der Natur: Am Dienstag Abend hatten wir unser 1. Erlebnis mit einem "Monstertier"!! Zum Glueck nur aus der Ferne, aber es war schon spuky!! Wir fuhren mit Pam, einer Australierin, die wir an diesem Abend kennengelernt hatten, und die uns zurueck in Stadt mitnahm - dazu aber spaeter! - nachts in ihrem Auto, als Eva ploetzlich rief: "Da, eine Spinne!!" Ich sah gerade noch wie eine handgrosse, schwarze, auf duennen haarigen Beinen sehr schnell krabbelnde Spinne am Kofferraum des Wagens links neben uns von den Ruecklichtern beginnend in Richtung Heckscheibe sich fortbewegte, und ploetzlich war sie nicht mehr da! Eva behauptete felsenfest, dass sie in das Wageninnere gekrabbelt sei, ich hingegen vermutete, dass sie beim Anfahren des Fahrzeuges runter gefallen war. Wie dem auch sei, dieser kurze Blick auf dieses eklige Riesentier genuegte, um in unserer Vorstellung auf dem Rest der Fahrt diese Spinne auf dem Ruecksitz unseres Wagens rumkrabbeln zu lassen!! Pam sagte zwar, dass diese Art nicht giftig sei, aber trotzdem moechte ich diesem Viech nicht zu nahe kommen!! So, aber nun: Wer ist Pam? Und warum fahren wir in ihrem Auto mit? Pam ist die Freundin von Rod, den ich am Montag kennenlernte, als ich an meinem Stammplatz an der Southbank - dort bin ich jeden Mittag anzutreffen - Sax uebte. Er war, wie sich im Gespraech herausstellte, gerade auf dem Weg in einen Park, um in seiner Mittagspause Tinwhistle, eine irische Floete, zu ueben. Er kam aber nicht dazu, denn wir ratschten eine Stunde. Im Verlauf unseres Gespraechs kam heraus, dass er jeden Dienstag Abend zu den Proben (sessions) des "Victoria Folk Music Club" fuhr, wo er Gitarre spielte und er frug mich, ob ich nicht auch Lust haette, morgen abend mitzukommen. Freilich sagte ich zu, tolle Gelegneheit mit australischer Folkmusik in Beruehreung zu kommen; und es hatte sich vollstens gelohnt. Dienstag um 20 Uhr standen Eva und ich in einer Art Gemeindehalle, in der Stuehle im Kreis aufgestellt waren. Nach und nach trudelten die Musiker ein: Akkordeonisten, Gitarristen, Violonisten (Pam, die Freundin von Rod, spielt Geige), Bandeonisten und Percussionisten. Eva bekam eine Geige in die Hand gedrueckt - nach anfaneglichem Weigern ihrerseits, aber sie hate sich dann tapfer geschlagen! - und ich packte mein Saxofon aus: Und los ging es. Auf Wunsch der Spieler wurden aus 4 Notenbaenden australische Volkslieder, Buschtaenze oder sonstige Folklore ausgesucht und die ganze Meute begann ohne irgendein Kommando draufloszuspielen und es entwickelte sich ein wirklich toller Klang; etwas durcheinander zum Teil, aber es wurde mit grossem Herzblut gespielt. Vor Allem ein Geiger, der bei einer Melodie alleine begann zu spielen, machte Eindruck auf mich, da er, ein alter Mann, mit voller Hingabe loslegte, bis der Rest miteinstimmte: Unverkrampftes, lebendiges und nicht verkopftes Musizieren, halt einfach Spass am Spielen!! Toll!! Und es klingt fast wie irische Musik. Ist, wie ich vermute, eine Mischung aus den Volkmusiken der Einwandere. In der Kaffeepause lernte ich den Leiter der Gruppe kennen, der bereits in Bayern war auf einem Volkgusammler-Treffen und auch die einschlaegigen Volksliedsammler in Bayern kennt. Er selbst hat einige Baende mit Liedern und Forschungsberichten ueber australische Buachmusik herausgegeben. Leider hatte ich nicht genuegend, mit ihm zu reden, denn Rod und Pamela wollten schon fahren. Aber Dienstag in 8 Tagen stossen wir wieder dazu, denn da gibt es nach einem australischem BBQ - ein Grillfest - australischen Folktanz und natuerlich eine session!! Sind schon ganz gespannt darauf. Ja, nun haben wir also australische Freunde, speziell Rod, denn ich treffe ihn nun fast jeden Tag, wenn er mit seiner Tinwhistle - er moechte auf ihr demnaechst im Folkclub mitspielen - in den Park zum Ueben gehen will, was er aber meistens nicht schafft, denn wir ratschen immer ausgiebig. Neulich hat er mir sogar eine Kopie eines beruehmten australischen Folkmusik-Liederbuches geschenkt, die er in seiner Arbeitszeit angefertigt hat. Wahnsinnig nett. Ich habe ihn darauf auf einen Kaffee eingeladen. Auf dem Weg zum Cafe hat er mir dann noch den einschlaegigen und besten CD-Shop in Melbourne gezeigt. Er wuehlte dort im Fach "Australian Folk" solange, bis er eine zum kopierten Liederbuch passende CD fand!! Die werde ich mir kaufen und somit habe ich ideales Unterrichtmaterial fuer meine "Australien-Unterrichtssequenz" (das also zum Thema "Studium der australischen Musik"! Aber die Schule ist noch weit weg fuer mich und das Referendariat fast vergessen!!! Juhu!) Ja, man kommt schon leicht in Kontakt mit Australiern, v. a. wenn man auf der Strasse musiziert. Diese Woche, einen Tag nachdem ich Rod kennengelernt hatte, machte ich die Bekanntschaft mit Chris. Er uebte ein paar hundert Meter weiter als ich Kontrabass - ich konnte ihn sehen, aber nicht hoeren - und er kam, nachdem er mich spielen bemerkt hatte mit seinem Bass rueber und fragte, ob wir nicht was zusemmen spielen koennten. Ein Repertoirevergleich kam zu dem Ergebnis, dass wir 60 % gleiche Stuecke hatten. Es war ein Heidenspass und beim anschliessenden Talk in einem Cafe vereinbarten wir, oefter miteinander zu spielen. Er erklaerte mir, wie die musikalischen Begriffe im Englischen heissen und dann notierten wir uns noch die Stuecke, die jeder fuer sich ueben wollte, damit unser Repertoire sich mehr angleicht. Tags darauf spielten wir wieder gemeinsam und meine Bekannschaften mit Australiern erweiterten sich: Ein Filmteam kam des Wegs und fragte uns, ob wir damit einverstanden waeren, dass sie eine kurze Szene mit uns drehen. Es war nichts besonderes: wir sollten nur einfach spielen. Beim anschliessenden Gespraech kam heraus, dass alle drei an der Filmhochschule studieren und momentan einen Kurzfilm ueber Strassenmusik drehen. Witzig, oder?! Nun bin ich in einem australischem Kurzfilm zu sehen!! Noch witzig war, dass der Onkel von Chris an dieser Filmhochschule Professor ist - Kommentar der Kamerafrau:" My God! Really??!! He is God, he is everything for me!! He is magnificent!! He is my inspiriation!!"......Antwort Chris:" He is just my uncle." Cool, wie erhalt ist. - Kurz darauf kam Rod des Weg, seine Tinwhistle unter dem Arm. Er hoerte uns zu. Wir kamen ins Gespraech ueber die Tinwhistle. Ich fragte, ob es schwer ist, darauf zu spielen. Er fragte mich, ob ich es mal probieren moechte. Ich antwortete ihm, nur wenn er es mir zeigen wuerde, und ploetzlich stand Rod da, in seinem schicken Anzug und spielte, etwas unsicher zunaechst, aber sich immer mehr steigernd, auf seiner Tinwhistle. Passanten stoppten, denn es war schon ein seltsamer Anblick: 2 junge Jazzmusiker in Jeans, die einem Mitvierziger, der etwas wie Tom Hanks aussieht, auf seiner Floete zuhoeren!! Also Sachen erlebt man schon, wenn man auf der Strasse spielt: Grossmuetter druecken mir die Haende und danken mir von Herzem fuer mein Spielen, Kinder in Kinderwaegen verrenken sich die Haelse, um mich zu sehen, waehrend ihre Muetter, z. T. gestresst weiterfahren; manche draengen sogar ihre Eltern anzuhalten. Dann drehen diese den Kinderwagen zu mir, die Kinder schauen mich mit grossen Augen an, die Mutter gibt ihnen Geld, sie schleichen sich schuechtern heran, werfen das Geld in meinen Koffer, verschinden schnellsten wieder hinter dem Wagen, aber dann, wenn sie weiterfahren, winken sie mir nochmals zu. Neulich hat mir ein junger Russe, ein Akkordeonspieler, wie sich beim Talk herausstellte, 5 Dollar mit dem Spruch in die Hand gedrueckt:" Wir brauchen mehr gute Musiker hier in Melbourne." Wochen zuvor spricht mich ein Neuseelaender an, Fernandez, gibt mir seine Telefonnummer und sagt, dass er mich mal in einen Jazzclub mitnehmen moechte, denn er spielt selbst - als Amateur - Saxofon. Der Zufall bring uns hier in Australien immer zu neuen Kontakten und Erlebnissen. Ein weiteres Beispiel: Vor 2 Wochen besichtigte ich die Scots-Church, eine ueber hundert Jahre alte Kirche. Die Orgel, deren Spieltisch im Seitenaltar steht, zieht meine Aufmerksamkeit auf sich: Phantastisches Insrument, wie man genauem Hinsaehen bemerkt, und, ich kann meinen Augen kaum glauben: Diese Orgel hat der weltberuehmte oesterreichische Orgelbauer Rieger angefertigt!! Wahnsinn!! Eine Riegerorgel hier in Australien. Der Pfoertner der Kirche erklaert mir, dass diese Orgel erst 3 Jahr alt ist und diese Woche zufaelligerweise der Orgelinspektor der Firma zum Service da ist. Ich solle am Mittwoch zum Mittagsgottesdienst kommen, denn dann koennte ich neben dem Orgelbauer auch den Organisten, Douglas Lawrence, kennenlernen. Mittwochs, ich besuche die Messe, hoere den fantastischen Klang dieser Orgel (Douglas spielt Mendelssohn!) . Nach dem Gottesdienst spreche ich mit ihm, einem wahnsinnig netten Menschen, der mich, da er zur Uni muss - er ist, welch ein Zufall, neben seinem Organistenberuf an der Scots Church noch der Headmaster of Church Music an der University of Melbourne und leitet den beruemten Chor des Ormond-Colleges. - ohne Aufsicht auf der Orgel spielen laesst, bis der oestereichische Orgelbauer aus der Mittagspause zurueckkehrt. Ich schwatze mit ihm ein wenig. Er ist sichtlich erfreut, in seinem Dialekt reden zu koennen. Es erklaert mir, dass im pazifischem Raum sich insgesamt 4 Riegerorgel befinden: Melbourne, Tokyo, Christ Church in New Zealand und in Adelaide, Australien. Er ist unterwegs, all diese Orgeln zu warten, zu stimmen und etwaige Reperaturen auszufuehren. Eine wahre Weltreise, meine ich. Er aber winkt ab, denn er hat drei Wochen Fulltime Stress. Ja, wieder eine musikalische Bekanntschaft mehr, die mir sehr nuetzt, denn Douglas hat auf mein Anfragen hin nichts dagegen, dass ich zu den Proben seines Ormond College Chores sonntags mal dazustosse. Mal sehen, ob ich die Zeit dazu finde, denn normalerweise sind wir an den Wochenenden stets unterwegs. Nur dieses, das 6. Wochenenede in Australien, haben wir nichts Besonderes vor, denn wir wollten mal auschlafen, unsere E-mails wieder erledigen. Dann waren wir gestern, also Samstag, in einem Australian Football Match: Coolingwood gegen Hathworn. Lustige Atmosphaere im Melbourne Crocket Ground (MCG), dem groessten Stadion hier in Melbourne, das 100.000 Zuschauern fasst. Es war leider nicht ganz ausverkauft, aber es war trotzdem sehr interessant, auch wenn wir es nicht ganz zu Ende geschaut haben. Im, Unterschied zu Deutschland ist im MCG freie Platzwahl; so sitzen die gegnerischen Fans direkt nebeneinander, ohne Schlaegereien. Typisch australisch friedlich. Die Regeln, oder was Footie genau ist, werde ich ein andermal erklaeren, denn ich glaube, es ist schon wieder wahnsinnig viel, was ihr zum Lesen habt. Aber es passiert halt auch viel hier Down Under!! So, nun gruesse ich hier ganz speziell meine Familie und wuensche ihr viel Kraft und Zuversicht, denn seit ein paar Wochen steht es um meinen Opa gar nicht gut und es koennte sein, dass er sterben wird! Es ist nicht einfach fuer mich, soweit weg von euch zu sein und zu wissen, dass ein Mensch den ich sehr liebe, vielleicht bei meiner Rueckkehr nicht mehr da sein wird. Danke Mama, Papa, Tante, Oma, Cornelia, Miriam und alle, die ich vergessen habe, dass ihr euch um Opa so kuemmert! Ich denke an euch!! Robert