Dienstag, 18. Juni, 21 Uhr in Sydney (der 7. Tag unserer Rundreise)

Ich trinke ein Reschs-Bier: Auf dein Wohl Tom und das deiner Familie verbunden mit herzlichen Grüßen! Süffiges und leichtes helles Bier. Sydney, 4-Millionenstadt, Magnet für Touristen aus aller Herren Länder, meistbesichtigte Stadt in Australien. Ich kann es nicht verbergen, das Vorurteil, dass Melbourne die schönere Stadt ist; ja, ich fühle mich als Melbourner und schlage mich, obwohl ich noch nichts von Sydney gesehen habe, auf die Seite der Hauptstadt Victorias. Ja, ich bin stolz, Melbourne schon ganz gut zu kennen. Ja, ich liebe die old-fashioned Aufmachung der Grand Dame unter den Millionenstädten. Ja, ich nehme es Sydney sehr übel, dass es die giftigste Spinne der Welt beheimatet, die tödliche Funnel-Web-Spider, ein handtellergroßes, dickbauchiges, schwarzes Ungetüm, das leider nicht, wie giftige Schlangen, die Menschen meidet, sondern listig am Boden in selbstgebuddelten Löchern oder unter Laub haust, und in dem Moment, in dem jemand ihr Territorium betritt, blitzschnell mit tödlichen Bissen attackiert. Aber das ist noch nicht alles, denn zu allem Überdruss berichtet ein Buch über Spinnen, das ich heute vorsorglicherweise studiert habe, von männlichen Spezies, die auf der Suche nach weiblichen Partnern menschliche Wohnungen durchstöbern und dabei auch in Schuhen und in am Boden liegende Kleidung kriechen. Oh Gott! Fast hysterisch habe ich nach der Lektüre jeden Schuh fünfmal ausgeschüttelt! Aber keine Angst, liebe Eltern, denn ihr Vorkommen ist äußerst selten und 4 Millionen Sydnier leben täglich mit der Gefahr. Versprochen: Wir passen besonders auf!
Nachdem ich schon eine kleine Einführung in die Tierwelt Australiens gegeben habe, möchte ich in diesem Kapitel einige der interessantesten Tiere des roten Kontinents vorstellen. Platz dafür ist da, denn der heutige Tag hat uns unsere Unternehmungen nicht in Gänze realisieren lassen: Es regnete beinahe ununterbrochen. Dafür kamen wir auf dem einzig unternommenen Spaziergang an sehr nett für Kinder aufbereiteten Schaubildern vorbei, die die einheimische Tier- und Pflanzenwelt Australiens zeigten, für uns wunderbar verständlich. Aber bevor ich mit der Natur im Speziellen loslege, kurz berichtet, wie wir nach Sydney kamen. Gestern brachen wir von Nowra auf, um nachts den Ort Kangaroo Valley zu erreichen, nach einer steilen Fahrt bergauf dorthin. Am nächsten Morgen, also heute, starteten wir früh los, wollten wir doch den ganzen Tag im atemberaubenden Morton NP mit ausgiebigen Wanderungen verbringen. Doch gerade in dem Moment, als wir das Auto starten, öffnet der Himmel seine Schleusen und verregnet uns den ganzen Tag. So konnten wir die Hauptsehenswürdigkeit des NP, den Fitzroy-Wasserfall, der nur wenige Kilometer von Kangaroo-Valley, ein Ort übrigens, der die ältestes Hängebrücke Australiens besitzt, entfernt liegt, nur hinter Regenschleiern und Nebelwolken ausmachen. Dies beraubte den Wasserfall aber keineswegs seiner Einzigartigkeit, denn von dem Plateau, von dem aus wir die einzige Wanderung des Tages unternahmen, bieten sich phänomenale Blicke auf den schlanken Wasserstrahl und den Canyon, in den er sich ergießt. Man glaubt es kaum. Am Besucherzentrum noch fließt ein träger Fluss kaum vorwärts, um dann plötzlich blitzschnell 82 Meter gen Tal zu brausen, wirklich, das Wasser fällt über eine 90°-Kante senkrecht ins Tal, was heißt Tal, in einen weit ausladenden Canyon ergießt sich der Fluss, über mehrere kleinere Abhänge noch fallend, bis er sich in einem Regenwald, der das weite Tal in üppigen Grün bedeckt, verliert. Die Begrenzungen diese Tals, das für die extremen Abenteurer Touren bis zu fünf Tagen bietet, bilden senkrecht aufragende Sandsteinwände, die an einer Stelle einen Höhenunterschied bis zum Tal von 500 Metern bilden. 500 Meter! Man stelle sich das mal vor! Welche Urgewalt von Wasser muss da über Millionen von Jahren das Tal in den Sandstein tief eingegraben haben. (Die Messungen am Stein haben ergeben, dass die Felsen über 500 Millionen Jahre alt sind.)
Wir wanderten brav am Rand des Hochplateaus entlang, an dem sich die besagten Schautafeln über die Natur Australiens befinden. Anhaltender und kräftiger Regen aber behinderte uns zusehends, so dass wir, nachdem wir die klatschnassen Hosen gewechselt hatten, auf schnellstem Wege nach Sydney fuhren, denn eine Großstadt kann auch bei Regenwetter besichtigt werden. Wir steuern den billigsten und zentrumsnächsten Campingplatz an. Unsere Karte ist zu ungenau. Wir halten an einem Bahnhof. Glück, denn der Campingplatz liegt um die Ecke. Glück 2: Am Bahnhof ist eine superbillige Tankstelle (Bleifrei normal für 40 Eurocent. Normal ist 45 – 50 Eurocent). Glück 3: Im Bahnhof befindet sich der günstigste Supermarkt. Glück 4: Das Büro des Campingplatzes ist nur von 17:00 – 17:30 Uhr geöffnet, und das von Montag bis Mittwoch. Wir stoppen vor dem Tor am Dienstag um 16:30 Uhr. Glück 5: Wir haben dort eine Waschmaschine samt Trockner. Noch ein Bier (die Reschs-Halbe) und schon liegen wir gemütlich im Campervan.

Zur Tier- und Pflanzenwelt. Was habe ich heute gelernt?

    1. Das Schnabeltier. Es ist eines der seltensten Tiere, denn welches Tier besitzt schon so verschiedene “Baukomponenten” wie Entenschnabel, Biberschwanz, Schwimmfüsse und ein Fell. Leider haben wir noch keines gesichtet, dafür

    2. Das Wombat. Hat Ähnlichkeit mit einem kleinen Bär, erinnert aber auch an ein Schwein. Befindet es sich auf Nahrungssuche, kennt es kein Halten und – zum Ärger der Farmer – keine Hindernisse in Form von Zäunen. Es ernährt sich von Grünzeug und Insekten, und die Höhlen, die es sich gräbt, sind ein Gemeinschaftswerk mehrerer Generationen.

    3. Der Lyrebird. Sein Name nimmt Bezug auf die Schwanzfedern der männlichen Vögel, denn diese spannen sie bei der Balz zu einer an eine Lyra erinnernde Formation auf. Dabei singen sie über 20 Minuten am Stück die eigenartigsten Lieder. Die Lyrebirds sind berühmte Geräuschimitatoren. So kam es schon vor, dass einige beim Motorsägen-, Zug-, oder Sirenengeräuschenachmachen gehört wurden. (Aber mal ehrlich, liebe Damen, würdet ihr einen Mann auswählen, der wie eine Kettensäge klingt?)

    4. Das (der, die?) Echidno. Es sieht aus wie ein überdimensionierter Igel, jedoch mit Schnabel und scharfen Krallen, die es als einzige schaffen (neben dem Reptil Goanna) die wie Felsen aussehenden zwei Meter hohen Termitenhügel zu knacken, von denen wir heute einigen auf dem Weg begegnet sind. Und es gehört mit dem Schnabeltier zu den einzigen eierlegenden Säugetieren.

    Das sind doch schon mal vier außergewöhnliche Tiere, die man hier in freier Wildbahn sehen kann..

    Nun zum Abschluss noch zu den zwei am häufigsten und auffallendsten Pflanzenarten von Down Under:

    An Nummer 1 steht unabänderlich der Eukalyptusbaum, bildet er doch zu 95% die Waldfläche Australiens. Die Eigenart des Baumes ist, neben den ätherischen Eukalyptusdämpfen, die er spürbar verströmt, dass er sich seiner Rinde schälend entledigen kann. Sie hängt bei vielen Bäumen in Fetzen vom Stamm herab und bedeckt das Unterholz. Diese Spezialität garantiert ihm das Überleben von Waldbränden, denn die verkohlte Rinde wir nach einer Feuersbrunst, sofern nicht der ganze Baum verbrannte, einfach abgeworfen und der Baum erwacht zu neuem Leben. Das konnten wir eindrucksvoll heute feststellen, denn der Teil des Morton NP, den wir heute durchstreiften, wurde 1998 von einem Waldbrand heimgesucht, was aber 4 Jahre danach nur an den zum Teil noch verkohlten Stämmen zu erkennen ist, aus denen sich unerschrocken wieder zum Leben erwachte mächtige (alte!) Bäume entwickelt haben.

    Der Banksiastrauch, benannt nach dem britischen Botaniker Banks, der 1780 auf Captain Cooks Erforschungsschiffsreise an den australischen Küsten mit an Bord war, hat ebenfalls eine Feuerüberlebensstrategie entwickelt, bildet sie doch an den farbigen wie Klobürstenköpfe aussehenden Blüten feuerfeste Samenkapseln, die ein Fortleben nach dem Brand garantieren. Die Aboriginies übrigens lieben die kieferzapfengroßen Blüten wegen ihres süßen Nektars, den sie heraussaugen oder zu süßem Getränk herauskochen.

    Ja, Australien verfügt schon über die vielbeschriebenen eigenständige Natur, die einem ständig über der Weg läuft und staunen lässt. Aber jetzt einmal stürzen wir uns morgen in die größte Stadt des Kontinents: Sydney!

    Heute gefahrene Kilometer: 185

    (PS: Wusstet ihr schon, dass die Emudamen, nachdem sie ihre Eier gelegt haben, einfach davonlaufen und den alleinerziehenden Emumann zurücklassen, der sich um das Ausbrüten und Aufziehen der Nachkommen kümmern muss?)

    (PS2: In meine Schuhe krabbelt sowieso keine Spinne rein, das würde sie nämlich geruchsmäßig nicht überleben! Obwohl: Heute sind wir zum 2. Mal auf der Rundreise frischgeduscht.)

(PS3: Glück6: Amerikanische Campingplatznachbarn schenken uns ihre übriggebliebenen Lebensmittel, da sie morgen den Campervan abgeben)