Mittwoch, 17. Juli, um 20:30 Uhr im Zelt, immer noch in Cape Tribulation

Gerne würde ich wissen, wer noch zu den regelmäßigen Lesern unseres Reisetagebuches gehört, denn manchmal überkommt mich die Ahnung, dass wegen dessen Überfülle viele schon aufgegeben haben, oder ziemlich hinterherhinken. Deshalb mein Aufruf: Alle, die diese Zeilen gerade lesen, sollen mir bitte ein Kurzmail schreiben (robertaichner@web.de), damit ich den Überblick habe, ob es sich überhaupt noch lohnt, den Reisebericht für alle zugänglich im Internet zu veröffentlichen.
“Cape Tribulation” (Kap der Probleme), “Mount Sorrow” (Berg der Traurigkeit), oder “Mount Misery” (Berg der Misere), wie kann jemand nur auf die Idee kommen, die in dieser zauberhaften Gegend aufzufindenden Örtlichkeiten mit solch negativen Namen zu belegen? Und wieso kann sich Cooktown, eine Kleinstadt fernab jeglicher Zivilisation, mitten im Regenwald 80km nördlich von Cape Tribulation gelegen, rühmen, den berühmten Kapitän James Cook im Namen zu tragen? Nun Cooktown, nicht Sydney, war in Wirklichkeit die erste weiße Siedlung auf australischem Boden, eine ungewollte und nach 40 Tagen bereits wieder aufgegebene. Um das zu erklären, muss ich ein wenig in der Historie von Cooks Schiffsreise kramen.
Im Jahre 1788 wurde Cook von der britischen Admiralität beauftragt, eine wissenschaftliche Expedition nach Tahiti zu leiten, um dort den Transit des Planeten Venus durch die Vollmondscheibe zu beobachten. Anschließend segelte er weiter, um nach dem sagenumwobenen südlichen Kontinent, Terra Australis, zu suchen. Nachdem er beide Inseln des heutigen Neuseeland umrundet hatte, stieß er tatsächlich auf die südöstliche Landspitze des lange vor dieser Reise schon dort vermutenden neuen Kontinents. Die “Endeavour”, Cooks Schiff, segelte nordwärts, ankerte in der Botany Bay nahe dem heutigen Sydney; die Besatzung machte Bekanntschaft mit Aboriginies, über die Cook in sein Tagebuch notierte: “All they seemed to want was for us to be gone”, und sie hätte schon fast wieder die über 2000 Kilometer lange Ostküste in Richtung Papua Neu Guinea verlassen, wenn nicht ein Unglück passiert wäre: Genau an der Küste, an der wir uns gerade befinden, lief das Schiff auf ein Riff und wurde schwer beschädigt. Die Seeleute konnten die Endeavour gerade noch vor dem Sinken retten, indem sie tauchenderweise Segel über das Leck im Schiffsrumpf zogen. Nahe dem heutigen Ort Cooktown wurde ein Lager für 40 Tage errichtet, in denen das Schiff glücklicherweise wieder seetüchtig gemacht werden konnte. Nicht auszumalen, wie die Geschichte Australiens sonst verlaufen wäre, wenn der ruhmreiche Cook hier am Ende der Welt kläglich gestrandet wäre. Nun denke ich, ist es verständlich, weshalb viele Orte hier diese depressiven, von Cook stammenden Namen tragen, wobei diese überhaupt nicht mit deren bezaubernden Schönheit übereinstimmen. Gestern z.B. erklommen wir in einem 7-Stunden Marsch die 650m des Mount Sorrow und waren begeistert von der dichten Wildnis des Regenwaldes. Wir mussten uns teilweise den Weg mit den Händen bahnen, um all die von den Urwaldriesen herabhängenden Lianen auf die Seite zu räumen, wobei wir versuchten, nicht aus Versehen an dem Schwanz einer Riesenphyton zu ziehen. Aber um alle Erschrockenen zu beruhigen: Man muss schon sehr viel Glück haben, um hier wilde Tiere zu erleben. Auf dieser erschöpfenden Wanderung über Wurzeln, Steine und umgefallene Baumstämme erblickten wir kein einziges Tier. Dafür aber war die Aussicht vom schwindelnden Steingipfel umso fantastischer: Dichter Dschungel zu unseren Füßen, in der Ferne das rauschende Meer und am Horizont, im Wasser schemenhaft auszumachen, die Umrisse des Great Barrier Reefs!!
Tiere lassen sich meist hier auf diesem Ferienressort blicken. So sahen wir vor kurzen eine Riesenechse, ein Goanna, durchs Gestrüpp stampfen, konnten ein Bandicoot, eine langnasige Beutelmaus, beobachten, als sie frech neben der Küchenveranda nach Essbarem schnüffelte und bestaunen in gebührendem Abstand die Riesenspinnen, die an den Jalousien der Holzhäuser Riesenetze spinnen. Die Angst vor den Tieren des Urwalds verliert man schnell, wenn man sich ein paar Tage in diesem aufhält, so lange sie sich nur von unserem Zeltinnern fernhalten.