Melbourne, 10 April 2002 Hilfe! Ich komme nicht mehr hinterher mit dem Erzaehlen!! Zu viel passiert hier in Melbourne! Aber erstmal: How are you? And Good Day! So, nun bin ich seit heute stolzer Besitzer eines neuen Schlafsackes, denn mein alter ist nicht kaeltetauglich und wenn wir ins Outback, bzw. ins Zentrum fahren, muessen wir mit 5 Grad minus nachts rechnen. Jaja, die Wueste. Der wird dann gleich an unserem 1. groesseren Ausflug an diesem (dem 5.) Wochenende eingeweiht, denn da fahren wir zusammen mit einer Jugendgruppe der Church of Christ (ganz nette Leute, die wir letzten Sonntag kennengelernt haben) auf Campingfahrt in den Wilson Promontory National Park, einer der schoensten hier in Victoria und er liegt direkt am Meer auf einer Halbinsel!! Freuen uns schon riesig darauf. Wie kamen wir dazu? Dennis, unser chinesischer Vermieter, hat momentan ein Auge auf eine Malaysierin geworfen, die in dieser Kirche dabei ist. Tja, deshalb geht er fast jeden Sonntag dorthin zum Gottesdienst, aus Interesse an der Bibel, wie er sagt. Der hats ganz schoen faustdick hinter den Ohren!! (Wir kommen ziemlich gut aus mit unseren chinesischen Mitbewohnern: Dennis und Jason. Ersterer ist sehr lebendig, sportlich, aktiv, ein Macher; letzterer vertrauemt, melancholisch, kuenstlerisch begabt, denn er spielt Klavier - auf dem ich auch ueben kann!!!!!! Welch gluecklicher Zufall!! - dazu chinesische Floete und er hoert gerne Beethoven und Bach. Ich habe beide mit Ying und Yang verglichen, was den Nagel auf den Kopf trifft. Ach ja: Sie kochen fast jeden Abend lecker chinesisch, und manchmal duerfen wir auch probieren. Aber zum Essen komme ich ein ander Mal, sonst schaffe ich nicht die Berichte des 3. und 4. Wochenendes!) Ja, und dieser Dennis hat gemeint, wir koennten ohne Probleme auch mitfahren! Gesagt, getan. So, nun zu den fehlenden Wochenenausfluegen am 3. und 4. Weekend. Den Samstag des 3. Wochenendes verbrachten wir auf dem Fahrrad, das wir uns anmieteten. Zunaechst ging es entlang dem Yarrariver, von der Southbank beginnend Richtung Osten, den da befindet sich nach einigen zahlreichen Windungen der Yarra Bend Park. Von Berichten und Fotos waren wir schon sehr eingenommen von diesem Park, aber die Wirklichkeit hat uns eines Besseren belehrt: So toll ist der gar nicht, und auch die Radtour am Ufer entlang ist ehrlich gesagt ziemlich langweilig (ich glaube Eva denkt auch so), aber das liegt wahrscheinlich daran, dass wir beide, was Fluesse und Wege entlang diesen angeht, sehr verwoehnt sind. Die Isarauen sind wirklich einmalig und auch die Fluesse im Boehmerwald, v. a. mein Liebling Otava in Susice, sind schon super. Also bogen wir, nachdem wir den Park erreicht hatten in Stadt ab und fuhren durch Richmond, einem Stadtteil, in dem sich eine vietnamesische Einkaufsstrasse befindet. Saigon lies gruessen (Geruch, Panorama...). Auf dem Weg kamen wir an den grossen Sportstaetten vorbei, die am Fluss direkt oestlich der Stadt liegen. Da waere zunaechst der Melbourne Cricket Ground (MCG), der ueber 100.000 Menschen fassen soll. Das werden wir mal an einem Samstag testen, wenn wir in ein Australian Football Spiel gehen, ein sehr seltsames Spiel, in dem der "Rugbyball" mit der Hand und dem Fuss nach bestimmten Regeln hin- und hergeschossen wird. Wenn wir mal ein Spiel gesehen haben, dann berichte ich mehr von diesem komischen Spiel, nach dem alle Australier wie verrueckt sind, v. a. momentan, denn es hat gerade die Saison begonnen und pro Wochenende gibt es mindestens 3 Spiele hier in Melbourne, denn viele Clubs sind aus den Melbourner Suburbs! Man kann es fast mit der Hysterie waehrend eines Munechner Fussball-Derbies vergleichen. Jetzt verstehe ich ganz gut, wieso bei uns in Germany die Fussbalfanatiker so belaechelt werden. Das gleiche mache ich hier mit den Footie-Fans! Ein weiteres Stadion ist das Olympic Stadion, direkt gegenueber dem MCG. Ein fuer heutige Verhaeltnisse recht kleines Stadion. Aber die Olympiade in Melbourne ist ja schon, wie ich denke, 50 Jahre her. Dann in unmittelbarer Nachbarschaft findet man Stadion Nummer drei und vier: 2 Tennis Arenen fuer die Australian Open. Dennis erzaehlte uns, dass er dieses Jahr im Januar ein Tagesticket fuer umgerechnet 15 Euro gekauft hatte, und dafuer den ganzen Tag auf dem Tennisgelaende, das die beiden Stadien umgibt, rumlaufen konnte. Dabei konnte er die Stars beim Training beobachten und bis auf den Centre Court alle Spiele anschauen, fuer die er sich interessierte! Toll! Moechte ich auch mal, aber leider zu spaet. Ebenso zu spaet sind wir fuer die Formel 1 dran, denn die lief hier Anfang Maerz. Aber dafuer sind wir zum Abschluss unserer Radtour zum Albertpark geradelt, im Sueden der Stadt liegend (gleich unterhalb de Southbank). Die Formel 1 Strecke, die sich dort befindet, windet sich von Palmen gesaeumt um einen See und wir konnten einen Teil mit dem Rad abfahren. Man kann sogar teilweise mit dem Auto drauffahren, denn ein Teil der Strecke gehoert zum oeffentlichen Strassennetz! Klasse: Mit 30 Sachen ueber die Ziellinie. Eigentlich wollte ich die ganze Stecke fahren, aber Eva hatte mich gebremst! Samstags Radeln, sonntags Wandern. Es war der Ostersonntag, an dem wir zum stadtnahen Dandenong Ranges Park aufbrachen. Er ist mit dem Stadtzug problemlos zu erreichen, obwohl alle Aussies mit dem Auto dorthin fahren, oder, wenn sie es wie wir oeffentlich tuen, mit der "Puffing Billy", einer alten Dampflok, weiterfahren. Wir entschlossen uns zu einer 20 km Rundwanderung durch den Sherbrooke Forest, in dem sich ueber 200 Jahre alte Eukalyptusbaeume befinden: Fantastisch erfrischender und wuerziger Geruch. Und an den riesigen Baustaemmen sich duckend findet man haufenweise Ferntrees, Farnbaeume, die aussehen wie Palmen, aber als Gruen Farne tragen. Toller Anblick. Und v.a.: wir waren die meiste Zeit alleine, denn die anderen Touries tuckerten mit der Puffing Billy am Waldrand entlang, oder warteten ueber 1 1/2 Stunde darauf, dass die naechste Dampflok ging. Also die Dandenongs sind ein Muss fuer alle Australienreisenden in Victoria, denn neben der Fauna kann man auch eine wunderschoene Flore bewundern, bzw. hoeren: Tausende Vogelstimmen machen den Wald zu einem Vogelkonzert. Leider konnten wir den beruehmten Lyrebird nur hoeren, denn in der Gegend, wo er hauptsaechlich zu sehen gewesen waere, trampelten nun doch Touries durchs Unterholz: Ein Campingplatz befindet sich in der Naehe dieses Tracks und dementsprechend owercrowed wars dort. Naja, wenigstens waren wir die meiste Zeit alleine, und.............: Wir haben unser 1. Kangoroo gesehen, zwar nur von der Ferne, aber doch ganz deutlich. Am Anfnag des Weges sass es in einem Vorgarten der dort noch verstreut liegenden Haeuser und as gemaechlich vor sich hin. Als wir naeher kommen wollten, hoppelte es gemuetlich davon. (Eigentlich muesste ich ehrlich sein. Es war unser 2. Kangoroo, denn am 1. Wochenende bei unserer Fahrt mit Christa durch eben diesen Park sahen wir auch eines: Es lag aber nur tot auf der Strasse!!) Am Ostermontag dann fuhren zum 2. Mal an den Sandringham Beach, an dem ich mir wahrscheinlich die Grundlage meiner Erkaeltung geholt habe, die mich seit 10 Tagen plagt. Nun zum 4. Wochenende: Wir fuhren samstags Mittag nach Weribee, auch mit dem Stadtzuges. Uebrigens kann man am Wochenende hier mit der Monatskarte die wir haben (nur Zone 1 von 3 moeglichen) in allen 3 Zonen fahren ohne eine zusaetzliche Karte zu loesen: Toller Service, den wir natuerlich so viel wie es geht ausnutzen wollen. Also in Weribee angekommen, d. h. am Bahnhof, wurden wir wieder mit der uns mittlerweile bekannten Tatsache konfrontiert, dass du ohne Auto hier in Oz nichts bist: 7 km entfernt lag das Ziel, das wir uns auserkoren hatten: The Weribee Mansion mit Park, Farm und Rosengarten, und der naechste Bus ging erst in 40 Minuten, Wir waren schon spaet dran (14.30 Uhr, da wir ausgeschlafen hatten) und deshalb beschlossen wir, sofort loszulaufen, denn den Bus konnten wir ja auch auf dem Weg nehmen. In 1 Stunde waren wir dort und erfuhren, dass das Mansion in eine halben Stunde schliessen wuerde. Also liefen wir los. Also zuerst, was ist ein Mansion? Im Allgemeinen ein herrschaftliche Landsitz, einem kleinem Schloss aehnelnd. Auf den Werbeprospekten hatte es gar nicht so interessant ausgeschaut, aber in Natura waren wir ziemlich begeistert von dem Schloesschen. V. a. die Art und Weise, wie das im Schloss integrierte Museum praesentiert wurde, war beeindruckend. Man bekam naemlich wie in anderen Museen in Deutschland auch, einen Kopfhoerer (kostenlos aber hier!) ausgehaendigt. Das Besondere an dieser Audiopraesentation war, das diese nicht als langweilige Dokumentation daherkam, sondern als Schauspiel gestaltet war. In fast jedem Raum, den man betrat, wurde einem Unterhaltungen, Monologe, Besteckgeklapper, Billiardgeraeusche, Kuechenatmsophaere auf die Kopfhoerer automatisch gespielt, je nachdem welche Funktion der Raum hatte. So wurde man z. B. im Fruehstuecksraum Zeuge eines Fruehstuckes des Jahres (ca.) 1875. Darueberhinaus war auch der Raum eingerichtet wie zu der Zeit und zu der Begebenheit: Man hatte also ein australisches Fruehstueck vor sich liegen, bzw. ein schottisches, denn wie sich allmaehlich aus den Gespraechen, Dialogen und Monologen ergab, wohnte einst in diesem Schloss eine schottische Familie, die Mitte des 19. Jahrhunderts nach Australien ausgewandert war, um hier mit einer Schafszucht und Wollfabrikation ihre Dollars zu verdienen. Ziemlich witziger schottischer Akzent, der einem da in die Ohren floss. Es war also hoechst interessant, welche Familiengeschichte sich im Verlauf der Besuche der Raeume ergab, und man war immer sehr gespannt, was wohl der naechste Raum bieten wuerde. Vor allem die Gefuehle der Leute, tausende Kilometer von ihrer schottischen Heimat entfernt, kam sehr gut rueber. Ja, eine halbe Stunde war doch zu wenig, denn es gab noch einen Raum, der die folgende Zeit des Mansion dokumentierte. Als die Schotten - aus welchem Grund auch immer - das Schloss verliesen, kamen Anfang des 20 Jahrhunderts die Jesuiten, um hier ein Kolleg fuer Studenten zu gruenden. Hoechst interessante Dokumentation!! Aber wir mussten das Mansion verlassen und strebten zielstrebig die Farm der Schotten an, in der laut Ankuendigung Tiere zum Streicheln bereitstehen wuerden. "Gatter bitte schliessen!", stand an dem offenen Gattertor, und es schien als waeren alle freilaufenden Tiere bereits in die Wildnis entflohen. Aber die waren nur alle eingesperrt, wie wir feststellen konnten, denn nach und nach zeigten sie sich hinter ihren Stallungsgittern. Als erstes starrten uns friedselig in einer Koppel beieinander stehend eine Kuh und ein Pferd an. Wir vermuteten zuerst, dass es sich um Statuen handelte, denn aus der Ferne betrachtet bewegten sie sich nicht. Wir kamen naeher. Keine Regung. Erst als wir ganz nahe standen, eine kleine Bewegung. Die dicken Tiere glotzten uns mit gleichmuetigen Augen an, die uns sagten: "Wenn ihr nichts zum Fressen habt, dann koennt ihr gleich wieder gehen!" Ich glaube, die ganze Farm besteht aus ueberfressenen, von den Kindern ueberfuetterten apathischen Tieren, die froh sind, wenn sie abends wieder, wenn all die Kinder wieder weg sind eingesperrt werden. Wir waren bereits alleine auf dem Gelaende denn es war 17.30 und 6 schlossen die Gartenanlagen. Zeit genug hatten wir noch, den Park zu besichtigen, der das Schloss umgibt. Darin befanden sich ein Menge moderner Plastiken, denn - tolle Idee - der Staat Victoria hat seine zeitgenoessischen Kuenstler gebeten, je eine Plastik zu entwerfen, die der Oeffentlichkeit in diesem Weribeepark praesentiert wird. Und das Publikum darf auf einem Faltblatt bestimmen, welche ihnen am Besten gefallen hat. Wir waren dann die letzten, die aus dem Park gingen und nahmen noch auf dem Weg zum Gatter den beruehmten Rosengarten mit, ein rundes Areal mit tausenden von bluehenden und dementsprechend duftenden Rosen - es hier momentan die Rosenzeit!! - . Es daemmerte, wir hatten noch 7 km Fussmarsch vor uns. Zuerst ueber das bereits geschlossene Gatter klettern. Teerstrasse entlang. Gedanke: Vielleicht per Anhalter? Kein Auto kommt. Es naehert sich dafuer ein Bus. Mist, kein oeffentlicher! Private Company, wie ich beim Blick ueber die Schultern feststellen kann. Wollen weitertrotten. Ploetzlich: Der Bus haelt einfach an. Tuer geht auf: "Can I give you a lift?" Aber natuerlich. Die Rettung! Er will uns zur Weribee Station mitnehmen, trotzdem er in eine andere Richtung fahren muss. Der Busfahrer fraegt uns nach unserem Wohnort hier in Melbourne. Und! Ueberraschung! Sein Busdepot, zu dem er fahren muss, ist nur wenig von unserem Wohnort entfernt! Welch ein Glueck! Er nimmt uns einfach so mit. Aus dem Gespraech erfahren wir, dass er aus der Ukraine kommt und hierher ausgewandert ist, 2 Toechter hat, die nur noch sehr schlecht seine Muttersprache sprechen - bringe gleich meinen einzigen russischen Satz an. Und: Er kommt aus Odessa. Als ich ihm sage, dass ich schon dort war, freut er sich riesig, denn er hat nicht erwartet, dass jemand hier in Australien seine Heimatstadt kennt. Wir sind ganz froh, dass wir so frueh in der Stadt sind, denn wir haben noch mit Annette, Evas Schulkameradin, und ihrem Mann Juergen Kino vereinbart: "Rabbit Fence Proof"! Wenn der in Deutschland laeuft, unbedingt ansehen, denn er ist hoechst interessant. Es geht um 3 Aboriginal Maedchen, die in den 30ger Jahren des 20. Jahrhundertsa gewaltsam durch Weisse von ihren Muettern getrennt und tausende von Kilometern entfernt in ein Lager gebracht werden, wo sie zu Hausmaedchen fuer Weisse umerzogen werden. Grausam!! Sie brechen aus und wandern durch das Outback zurueck zu ihren Familien, beguenstigt durch die Tasache, das quer durch Australien ein Drahtzaun laeuft, der Rabbit Proof Fence, welcher die Kaninchen von der Ausbreitung abhalten soll. Dieser laeuft an dem Reservat ihrer Familien vorbei und durch Zufall stossen sie auf ihn nach ihrem Ausbruch aus dem Lager. Toll erzaehlte Story und erschreckend, wenn man weiss, dass diese gewaltsame Trennung von Aboriginiefamilien, die vom weissen Goverment bewusst betrieben wurde, um zu vermeiden, dass Aboriginie-Maedchen von Aboriginie-Jungs geheiratet werden konnten, aus deren Ehe dann "reinrassige schwarzhaeutige" Kinder entstehen konnten, und diese Trennungsmassnahmen noch bis 1970 betrieben wurden!! Es gibt noch viel aufzuarbeien hier in Australien. Man versteht nach diesem Film vielleicht die Tumulte von Aboringinies besser, die es vor der Olympiade 2000 in Sydney gegeben hat, da sie sich immer noch um ihre Rechte betrogen fuehlen. Da werden wir hoffentlich noch mehr involviert werden, wenn wir die grosse Rundreise im Juni durch Australien starten! Nun zum Sonntag des 4. Wochendes: In der Frueh Gottesdienst mit der Church of Christ. Dann Studium in der Uni-Bibliothek. Abends dann zuhause! Haaaaaaaaaallllllllllllllloooooooooooooo!! Liest hier das noch jemand?????? Ich weiss, es ist immer zuviel, aber bitte versteht mich: Es ist gleichzeitig Evas und Roberts Tagebuch. Wir wollen wirklich alles aufschreiben, was uns so begegnet! Also dann. Das wars mal wieder! wenn ihr spezielle Fragen habt, dann schreibt mit doch ein E-Mail und ich werde sie fuer alle hier beantworten! Nun habt einen schoenen Tag und moege der Fruheling bald kommen! (Bei uns herbstelt es manchmal: Kuehler Wind, sonst haben wir um die 25 Grad, und ich bin schon dementsprechend braun!) See you! Robert